Was ist eine Demi-glace?


Die Suche nach der Königin

Die Königin der Saucen (la reine des sauces) - mit diesem Begriff darf sich die Demi-glace in der klassischen französischen Küche schmücken. Wer sich ein wenig mit dem Thema Kochen beschäftigt, stösst unweigerlich früher oder später auf die Demi-glace. Obwohl ich sonst eher wenig klassisch koche, wollte ich mich natürlich auch einmal an einer Demi-glace versuchen. 

Ich machte mich also auf die Suche nach einem Rezept - online. Wie immer habe ich mehrere Rezepte verglichen, um die Authentizität zu gewährleisten. Allerdings klafften diese Rezepte so weit auseinander, dass ich stutzig wurde. Es scheint eine gewisse Uneinigkeit darüber zu bestehen, was eine Demi-glace überhaupt ist. 

Ich fing deshalb ganz von vorne an. Statt nach einem Rezept, suchte ich nach einer Definition für die Saucenkönigin. Nur leider ohne Erfolg. Nachdem ich mehrere Tage das Internet durchsucht, Wikipedia-Seiten durchforstet, Youtube-Videos geschaut und Fachliteratur verglichen habe (jeweils immer in Deutsch, Englisch und Französisch), kam ich zum ernüchternden Fazit: Es gibt keine Definition für eine Demi-glace. 

Es scheint vielmehr ganz viele verschiedene Auffassungen der Demi-glace zu geben, was mich fast wahnsinnig machte. Ich verstehe auch jetzt noch nicht, wie ausgerechnet die bekannteste aller Saucen(grundlagen) so schwammig definiert sein kann. Das einzige, was alle Demi-glace Versionen gemeinsam haben: Sie werden aus einem dunklen Fond hergestellt. 

Übrigens: Spricht man von einer Demi-glace, wird dafür immer ausschliesslich Kalbsfond verwendet. Wenn eine Demi-glace mit anderem Fond hergestellt wird, wird sie entsprechend bezeichnet. Demi-glace wird zum Beispiel auch aus Rind (demi-glace au boeuf) oder Geflügel (demi-glace au volaille) gemacht.


Die drei Varianten

Nach der ganzen Recherche haben sich letztendlich drei Varianten der Demi-glace abgezeichnet, die immer und immer wieder genannt werden - häufiger als alle anderen. Deshalb habe ich diese drei dann genauer unter die Lupe genommen. 

1. Reduzierter Fond

Immer wieder bin ich darauf gestossen, dass Demi-glace einfach nur reduzierter Fond ist. Begründet wurde das häufig mit dem Namen. "Demi" bedeutet schliesslich "halb". Es handelt sich demnach also um eine "Halb-Glace". Mit Glace wäre dann die Glace de viande gemeint, die ja wiederum sehr stark reduziertem, dunklem Fond entspricht. Während für eine Glace der Fond auf 1/10 reduziert wird, soll er für eine Demi-Glace nur auf 1/4 reduziert werden. 

Diese Erklärung klingt einleuchtend, aber war's das wirklich schon? Die Königin der Saucen ist nur reduzierter Fond? Anscheinend sind ganz viele Leute dieser Auffassung - unter anderem auch US-Starkoch Anthony Bourdain, zumindest empfiehlt er es Hobbyköchen so. Mir erschien das dann doch ein wenig zu einfach und ich persönlich würde diese Variante nicht mit den beiden anderen gleichsetzen. 

2. Traditionell nach Escoffier

Auguste Escoffier - Reformator der klassischen französischen Küche und starker Einfluss der Haute Cuisine. Wenn jemand weiss, wie man eine Demi-glace zubereitet, dann doch wohl er, oder? Tatsächlich ist Escoffiers Variante auch heute noch sehr häufig in Gebrauch - vermutlich ist es sogar die gebräuchlichste Variante der Demi-glace. Gerade im englischen Sprachraum findet sich praktisch nur Escoffiers Methode.

Auch diese ist eigentlich ganz simpel: Man gibt zu gleichen Teilen dunklen Fond und Sauce Espagnole in einen Topf, reduziert das ganze auf die Hälfte und fertig ist die Demi-Glace. Zumindest klingt es simpel. Zuerst müssen natürlich die einzelnen Komponente - Fond und Espagnole - hergestellt werden, was viel Zeit beansprucht. Insgesamt hat man hierbei eine Kochzeit von ca. 8 Stunden. 

3. Modern - doppelter Fond

Die dritte Variante ist die "moderne" Variante, wie sie die Köche im deutschen Sprachraum lernen. Leider ist hierzulande die Kochkunst von Escoffier schon fast in Vergessenheit geraten. Da kaum jemand überhaupt noch die traditionelle Sauce Espagnole kennt und diese bei uns auch gar nicht zu den Grundsaucen gezählt wird, ist es naheliegend, dass sie auch nicht Bestandteil der Demi-glace ist. Sowohl das deutsche, als auch das Schweizer Standard-Lehrmittel für angehende Köche sehen einen anderen Weg zur Demi-glace vor.

Für die Herstellung dieser Demi-glace wird ein ganz normaler dunkler Kalbsfond zubereitet - mit einem entscheidenden Unterschied. Statt Gemüse, Knochen und Parüren mit Wasser aufzugiessen, wird mit bereits komplett fertigem Fond aufgefüllt. Ausserdem wird die Demi-glace zum Schluss nach dem Passieren mit einer Mehlschwitze gebunden und reduziert.


Fazit

Die eine wahre Demi-glace gibt es nicht. Je nach Region unterscheiden sich die Herstellungsweisen enorm. Unter einer Demi-glace kann man entweder einen reduzierten Fond, eine Reduktion aus Fond und Espagnole oder einen gebundenen, reduzierten, doppelten Fond verstehen. Welche Variante man in Herstellung und Geschmack bevorzugt, bleibt einem selbst überlassen. 

Ich persönlich halte die erste Variante für Schwachsinn. Ich verstehe nicht, womit  ein reduzierter Fond den Titel einer Saucenkönigin verdient hat. Die beiden anderen Varianten habe ich mittlerweile ausprobiert. Geschmacklich sind beide super. Ich könnte mich da gar nicht für eine Variante entscheiden.

Während in der Gastronomie, wo grosse Küchengeräte zum Einsatz kommen, die moderne Variante vermutlich leichter umzusetzen ist, ist die traditionelle Variante meiner Meinung nach für den kleinen Haushalt besser geeignet. Fond und Espagnole lassen sich separat herstellen und einfrieren. Zum Schluss muss nur noch beides aufgetaut, zusammengeleert und eingekocht werden. So kann man die traditionelle Demi-glace in drei Schritten selber machen, die man auf einen beliebigen Zeitraum verteilen kann.


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Kommentare: 5
  • #1

    Husta (Montag, 18 Februar 2019 09:30)

    Ausgezeinete Erkärungen !!

  • #2

    Vera (Samstag, 05 Oktober 2019 15:56)

    Danke, das habe ich jetzt auch verstanden, ist nömlich echt ein Wirrwarr!�

  • #3

    Beat (Donnerstag, 16 April 2020 11:10)

    Das Buch "Pauli" ist das Lehrbuch angehender Köche in der Schweiz worin alle Grundlagen vermittelt werden. Gerade für solche Grundsaucen ein super Nachschlagwerk.
    https://pauliph.com/de/

  • #4

    Birgit (Mittwoch, 17 Februar 2021 13:56)

    Eine sehr umfassende Erklärung. Es hat große Freude gemacht, sie zu lesen. Es ist eine gute Anregung zum Ausprobieren. Danke für diese Recherche. Ich habe nämlich auch schon mehrmals nach der Definition für Demi-glace gesucht und fand nur unterschiedlichste Aussagen und habe dann ungeduldig resigniert. Beim letzten Versuch bin ich dann auf diese Website gestoßen und sehr glücklich darüber.

  • #5

    Mats Arp (Samstag, 23 April 2022 10:04)

    Das mit der Demi Glace haben Sie scharf erkannt - es ist kein Rezept für „diese eine“ Sauce sondern eine generelles Verfahren eine braune Sauce mit einer bestimmten Konsistenz herzustellen. Es ist ganz einfach: eine Glace bekommt ihre Konsistenz durch's Einkochen und eine Demi Glace durch Mehlbindung.

    Im kalten Zustand ist die Glace fest (also erstarrt, wie etwas Gefrorenes - das heisst im Französischen glacé) - die Demi Glace ist im kalten Zustand halbflüssig.

    Demi Glace u Glace kann man aus allen möglichen Tieren u Gemüsen machen - rein oder gemischt. Die Einzigartigkeit ist die Rezeptur u strikte Einhaltung des Prozederes der jeweiligen Köchinnen u Köche.

    Und da wir es mit Naturprodukten zu tun haben wird es immer Variationen bei allen Zutaten - vom Knochen, über Wasser u Wein bis zur Wachholderbeere etc etc pp., die den Geschmack u die Konsistenz u die Gardauer beeinflussen, geben.
    Diese Variationen dann so zu handeln, dass zum Schluss immer das gleiche Produkt in puncto Geschmack, Konsistenz u Farbe herauskommt, das ist der Job von guten Köchinnen u Köchen.

    Deshalb gibt es auch kein Rezept für Demi Glace. Das ist in Profiküchen eine von vielen Flüssigkeiten, die tagelang nebenher auf dem Herd gepflegt u entwickelt u vollendet werden.

    Letzter Satz meines Lallmonologes:
    Bedenken Sie auch die veränderte Technik: zu Escoffiers Zeiten waren Herdplatten noch grosse, eiserne Platten, die mit Holz oder Öl befeuert wurden u die an versch. Stellen verschieden heiss waren - so köchelte einiges am kälteren Rand so vor sich hin. Mit elektrischen u Gasflammenherden ist „nebenher“ nicht mehr möglich. 1. weil man nicht so viele Kochstellen hat, 2. weil Elektroplatten in ihrer Stärke permanent schwanken u man stets aufpassen muss u Gasflammen bei kleiner Stufe ungleichmässig heizen ( an den Flämmchen brennt es im Topf an u ringsherum bleibt es kalt - man muss daher permanent rühren - u wenn man permanent rührt setzen sich Eiweisstrübstoffe (in Form von Schaum) u Fett nicht oben ab u man kann die Sauce oder die Consommé oder was auch immer, nicht richtig pflegen.

    Uffff - geschafft! Kochen ist nicht, exakt nach Rezept etwas herzustellen. Kochen ist Liebe u Kunst u viel viel Beobachtung u Erfahrung.

    PS: Lesen Sie das nächste Mal warum ein Fischfond nur ganz kurz aufkochen sollte - oder kommen Sie selbst drauf?